von Daniel Spanke

In über 50 Jahren künstlerischer Tätigkeit hat sich Heiner Szamida ein bemerkenswert konsequentes Formenvokabular erarbeitet. Seine Formen entstehen dabei stets aus dem Schaffensprozess und den damit verbundenen Techniken. Heiner Szamida ist Bildhauer in einem eher ungewöhnlichen, wörtlichen Sinne. Sein gewähltes Material ist Spanholz – eigentlich ein wenig wertiges und besonders kostengünstiges Produkt, dass zum einen die volle Verwertung von Baumstämmen erlaubt und aus dem zum zweiten weitgehend verziehungsfreie Werkplatten hergestellt werden können.  Dieser Plattencharakter des Spanholzes bestimmt die Werkformen Heiner Szamidas. Es handelt sich zumeist um reliefartige Bildobjekte. Seine Werke sind „Bild“, weil sie in den meisten Fällen wie ein Tafelbild der Wand zugeordnet werden und das klassische Kriterium eines Bildes zeigen: Eine meist rechteckige aber auch runde, begrenzte Fläche, innerhalb derer sich ein vom Raum ausgesondertes „Bildfeld“ betrachten lässt. Sie sind zugleich „gehauen“, weil das Material durch wegnehmen und anfügen zum Bildwerk gestaltet, deren Ding- oder Objektcharakter Heiner Szamida zumeist auch durch eine gewisse Dicke unterstreicht. Dadurch ragen sie etwas in den Raum hinein und unterscheiden sich von Bildern, die etwa durch Malerei einen Tiefenraum illusionieren. Szamidas Bildobjekte setzen der Wand stets etwas auf und wirken deshalb auch plastisch. In einigen Werken entwickelt der Künstler diese dreidimensionale Qualität weiter und schafft tatsächlich Plastiken im Raum. Das heißt ihr Architekturbezug beschränkt sich auf den Boden als Standfläche und sie regen dazu an, sie von allen Seiten wahrzunehmen und zu umschreiten. Bezeichnend ist dabei, dass der Künstler auch dabei seinem Material insofern treu bleibt, als dass er zum Beispiel Spanholzelemente einer gewissen Plattendicke übereinanderstapelt und so eine „Bildsäule“ schafft.

Heiner Szamida hat seine Serien, in denen er seine Werke schafft, langsam und schrittweise entwickelt. Das hat mit der Ernsthaftigkeit seinem gewählten Material und den Techniken seiner Bearbeitung gegenüber zu tun. So kamen etwa zeichnerische also abbildende Verfahren hinzu, indem der Künstler sich mit dem Abreiben von Spanstrukturen auf Papier, dem Spanholz durchaus verwandt, neue Werkstoffe für seine Arbeit schuf. Mit solchen quasi „natürlichen“ Zeichnungen lassen sich wiederum Objekte umhüllen und bekleben, so dass das Verhältnis von Oberfläche und Tiefenbeschaffenheit neu formuliert werden kann. Aus seiner künstlerischen Ausbildung und kunstpädagogischen Tätigkeit sind ihm zudem auch grafische Techniken, etwa der Siebdruck, bestens vertraut. Aus spanholzstrukturbedrucktem Karton konnte Szamida so Objekte schaffen, die wiederum neue Formen und Formulierungen durch Schneiden, Stecken und Flechten ermöglichen. Alle diese Formulierungen sind gekennzeichnet durch einen scheinbar unüberbrückbaren Gegensatz von Chaos und Ordnung. Das Chaos wir durch die verstreuten Späne, ihre Abreibungen und Siebdrucke oder durch Maserungen und Unregelmäßigkeiten im Holzwerkstoff ins Bild gesetzt; die Ordnung durch die geometrischen und regelmäßigen Schnitte, Fräsungen und Formate, mit denen der Künstler seine Bildwerke baut. Im Bildwerk selbst erscheint dieser Gegensatz jedoch aufgehoben wie in einem endlosen Rapport, indem sich das Chaotische und das Geordnete als Parallelen in der Unendlichkeit treffen und in eins fallen. So materialistisch, sachlich und konkret Szamidas Objekte wirken, so sehr besitzen sie im gestalteten Zusammenfall von Gegensätzen einen das schlichte Material gleichsam adelnden geistigen Aspekt: gleichermaßen natürlich und künstlich, überraschend und vorhersehbar, arm und reich, einfach und komplex, nüchtern und poetisch zugleich. Weil die Gegensätze äußerste Pole sind, macht dieser Zusammenfall sie zu Weltobjekten. Das ist die Kunst Heiner Szamidas: der Welt an einem beschränkten, künstlerisch selbst gewählten Punkt konzentriert auf den Grund zu gehen, um sie von da aus in ihrer unendlichen Vielfalt wieder hervorzubringen.